Wer zu einem Beauty Contest/Pitch eingeladen wird, hat die Reputation dazu. Da Grosskanzleien sich häufig nicht rechtzeitig um kostengünstige Alternativen zu früheren Angeboten kümmern, erkennen nun auch spezialisierte Boutiquen eine reelle Akquisechance. Sie überzeugen durch deutliches Engagement, eine kontinuierliche Spezialisierung, «Wendigkeit», die Delegation standardisierbarer Mandatsteile an «Legal Tech-Player» oder flexible Honorargestaltung. Doch klassische Fehler machen auch sie. Verbesserungspotenziale gibt es in zwölf typischen Bereichen des Pitch.
1. Anforderungen an die Präsentatoren
Ein Erfolgsfaktor für den Sieg ist unter anderem der richtige Umgang mit den folgenden Umständen, die sich bei Anfragen von Dax Unternehmen schon einmal ergeben haben:
- Umfängliche Angebote innerhalb eines Wochenendes verlangt.
- Viel zu kleine und dunkle Räume ohne ausreichende Getränke angeboten.
- Kanzleien rausgeschmissen, weil ein Anwalt die Abteilungsleiterin mit der Sekretärin verwechselt und um einen Kaffee gebeten hatte.
- Vier Anbieter innerhalb von zwei Stunden eingeladen; alle trafen sich im Flur.
- Während der Präsentation gegähnt und auf die Uhr geschaut.
- Sich in Dialoge mit einem Anwalt begeben; alle anderen kamen nicht zu Wort.
- Den Termin einen Tag vor der Präsentation abgesagt.
- Spezialwissen aus einem Pitch gesaugt, ohne zu beauftragen.
2. Vorbereitung
Der Anfrager braucht normalerweise keine Beweise für das Fach- und Branchenwissen der angefragten Kanzlei; er will vor allem spüren, dass eine Vertrauensbasis gegeben ist. Hierbei spielt die Vorbereitung eine grosse Rolle. Dazu gehören:
- Die Webseite des Anfragers sollte akribisch studiert werden. Sie gibt Auskunft über Gesellschaftsform, aktuelle Firmenentwicklungen, Kooperationspartner, Grossaufträge, Presseberichte, patentierte Produkte, derzeitige und frühere (Rechts-)Berater, Öffentlichkeitsarbeit, Personalwechsel in der Führung, Fusionen, hierarchische Strukturen, derzeitige Projekte, Unternehmens- bzw. Branchenvokabular und neue Geschäftsfelder.
- Danach folgt die Analyse des Anschreibens: Was braucht der Anfrager wirklich? Welchen Bedarf skizziert er wörtlich? Welcher gewöhnlich dahinter liegende Beratungsbedarf wird nicht expressis verbis erwähnt? Welche Rechtsberatungs-Felder sind für den Anfrager derzeit uninteressant?
- Nach dem Ergebnis richtet sich das schriftliche Material, das dem Anfrager vorab übersandt wird. Die Mandate, die ihn besonders interessieren, werden in der Dealliste prominent erwähnt.
- Nun stellt sich die Frage nach der Historie mit dem Anfrager: Wie kam der Anfrager darauf, die Kanzlei einzuladen? Vertritt sie z.B. seine Lieferanten? War schon einmal eine Führungskraft des Hauses in einem unserer Vorträge? Gab es Messekontakte? In welcher unserer Abteilungen oder Standorte bestanden schon einmal Verbindungen zu ihm oder zu einer seiner Gesellschaften? Wann war das? Wer war mit welchem Ergebnis beteiligt? Welche Erfahrungen haben wir in der Branche zu bieten?
- Kontakt halten: Partner laden den Anfrager in manchen Fällen zum Lunch oder zu Industrieevents ein, besonders wenn sie ihn kennen, wenn Kollegen des Hauses ihn schon beraten haben oder wenn sie dieses Vorgehen aus anderen Gründen als nicht peinlich oder übergriffig einschätzen.
- Referenzen: Welche bestehenden oder ehemaligen Mandate taugen in diesem Fall als Referenz? Welche davon darf die Kanzlei veröffentlichen bzw. welche Mandanten könnte sie um Genehmigung zur Veröffentlichung bitten? Kriegt die Kanzlei durch ein Telefonat mit dem Anfrager im Vorfeld der Präsentation weitere relevante Informationen, die bei der Auswahl der Unterlagen, der Zusammenstellung des Teams und der Kurzpräsentation einer rechtlichen Vorgehensweise helfen könnten?
3. Präsentation
Vorsicht: Die elektronische Standard-Kanzleipräsentation ist für fast jeden Anfrager langweilig, da sie visuell intolerabel und mit viel zu viel unsortierten Details befrachtet ist und die Inhalte längst bekannt sind! (Er hätte sich nicht an die Kanzlei gewandt, wenn deren Reputation im angefragten Bereich nicht tadellos wäre.)
Kanzleipräsentationen werden daher im Vorfeld oft lediglich als elektronisches Handout überreicht.Dann wird der Wettbewerb untersucht:
- Welche Kanzleien sind schon einmal in der Presse zusammen mit diesem Anfrager aufgetaucht?
- Wissen wir, gegen wen wir antreten?
- Was können wir besser als sie?
- Was haben dagegen die Mitbewerber, was wir nicht haben?
- Wie argumentieren wir bei unseren Schwächen? (Kanzleien ermitteln ihre Schwächen selbst und lernen die Antworten auf besonders kritische Fragen in diesem Bereich.)
- Wann treten wir an?
Bei wichtigen Präsentationen trainiert das Team seinen Auftritt. Exakte Abläufe von Begrüssung bis Abschied werden nachgestellt, die Rollen der Teammitglieder festgelegt etc. Rollenspiele bieten die Möglichkeit, weitere Schwächen aufzudecken und weitere Stärken auszubauen sowie kritische Fragen zu beantworten. In der Regel ist die ursprünglich eingeplante Anzahl der Worte und jene der Folien um 80 Prozent reduzierbar.
Achtung: Die Vorbereitungszeit kann bis zu 100 Mal so lange dauern wie die Präsentation selbst.
4. Präsentationsteam – meet the need
Wer mitgeht, richtet sich nicht nach den Zeitplänen der Kanzlei, sondern nach dem Bedarf des Kunden. Alle explizit gewünschten Rechtsbereiche haben Vertreter am Tisch. Zusätzlich empfiehlt es sich, nicht ausdrücklich erwähnte Rechtsgebiete zu repräsentieren, falls diese im skizzierten Fall nötig werden (Stichwort meet the need!). Teams wirken durch diese Massnahme visionär und erfahren.
Im «matching», das heisst die passende Zusammenstellung von Seniorität, Hierarchieebene, Personenzahl, Geschlecht und Sprache, liegt eine weitere Erfolgskomponente: Ist das Anfragergremium inklusive dem 62-jährigen Vorstand hochkarätig besetzt, fühlt es sich gegenüber einer Runde junger Aufsteiger vermutlich nicht ernst genommen. Investmentbänker dagegen empfinden Misstrauen, wenn sie zwei älteren Anwaltsstars gegenübersitzen, weil sie sich fragen, wo die jungen Wilden bleiben. Repräsentiert eine in Ehren ergraute Herrenriege die Kanzlei, assoziieren die dynamischen Geschäftsführerinnen im Anfragerteam wahrscheinlich veraltete und patriarchale Kanzlei-Strukturen. Gleichgültig gegenüber einem Mandat wirkt auch eine Kanzlei, die nur einen Anwalt zu einer Präsentation vor vier Anfragern entsendet.
Will der Anfrager z.B. einen Teil der Produktion nach Polen verlegen, sollte ein polnischsprachiger Anwalt mitkommen oder per Video zugeschaltet werden können. Im Minimum sollte man Zahlen und Fakten polnischer Kooperationspartner, darunter vor allem Kenner des polnischen Steuerrechts, präsentationsfertig in der Tasche haben.
Interkulturelle Kenntnisse können entscheidungserheblich sein: Japaner benötigen für eine positive Grundstimmung dieselbe Anzahl von Personen auf der Gegenseite und empfinden auch ein eigenes «Nein» als Beleidigung; Amerikaner lieben Small-Talk und sagen frei heraus, was sie denken.
5. Die Moderatorenrolle des Seniors
Bei grossen Transaktionen inkludiert das Team einen Seniorpartner, der die Moderatorenrolle einnimmt: Kommt eine Frage aus einem involvierten Rechtsgebiet, leitet er diese weiter an den (jungen) Spezialisten. Der Senior präsentiert dadurch sein Team und zeigt, dass er den Anwälten vertraut, denn er hat sie aus gutem Grund eingestellt. Dieses Verhalten ist überaus ansteckend und entlastet übrigens während des Mandats in einem enormen Umfang Zeitkonten: Der Mandant wird in solchen Fällen nicht mehr verlangen, wegen jeder Frage den Senior zu sprechen.
Kann wegen der oftmals knappen Vorbereitungszeit nicht der passende Partner zur Stelle sein, nimmt ein anderer, der die relevanten Informationen bieten kann, seinen Platz ein.
Findet die Präsentation vor der Rechtsabteilung statt, sollte man sich vor allem auf die Erörterung von Rechtsfragen einstellen. Je mehr Nicht-Juristen auf der Anfrager-Seite sind, desto weniger diskutieren sie rechtlich.
6. Vorsicht: Auftragskiller!
Die Entscheidung für oder gegen eine Kanzlei fällt nicht wegen deren Rechtskenntnissen, sondern aufgrund der Kommunikation. Aus Sicht der Anfrager sind in der Regel die fachlichen Kompetenzen bei allen eingeladenen Kanzleien gleich; noch nie wurde ein Beauty Contest wegen «suboptimaler Rechtskenntnisse» verloren.
Ausschlaggebend für Niederlagen sind vielmehr:
- die zu geringe Zahl an Anwälten
- kein eigener Standort in Shanghai
- zu wenig Expertise in dem Land einer Produktionsstätte des Unternehmens
- zu teuer
- keine eigenen Steuerrechtler
- zu junge Anwälte
- Kanzlei nicht in der passenden Stadt
- kürzlicher Wechsel eines ganzen Teams in eine andere Kanzlei
- nur eine Person kam zur Präsentation
Jeder einzelne dieser Faktoren war in konkreten Fällen schon ausschlaggebend – und alle wären durch geschickte Kommunikation ausgleichbar gewesen:
- Wenn öffentlich bekannt ist, dass eine ganze Gruppe von Anwälten gerade Ihre Kanzlei verlassen hat, müssen Sie damit pro-aktiv umgehen, es selbst ansprechen – und die Lösung skizzieren.
- Wenn Sie «zu wenig Expertise in einem Produktionsland des Anfragers haben», müssen Sie von sich aus darstellen, wie Sie dieses Manko ausgleichen werden.
- Wenn Sie als «zu teuer» gelten, müssen Sie darlegen, warum Sie den Preis wert sind.
- Wenn Sie gefragt werden «Können Sie das auch wirklich?», spezifizieren Sie wahrheitsgemäss und bestens vorbereitet Ihre Kompetenzen.
Am besten, Sie schliessen Ihre Erklärung mit einer offenen Frage ab, so dass Ihr Gegenüber wieder ins Spiel kommt, etwa: «Über welchen Punkt soll ich mehr berichten?»
Die Punkte 7. bis 12. auf dem Weg vom Pitch zur erfolgreichen Mandatsakquise folgen demnächst in «Wie Kanzleien den Beauty Contest gewinnen: Teil II».