Das grösste Wirtschafts-Hilfsprogramm der Schweizer Geschichte
Der Bund hat Schweizer Unternehmen im Rahmen der Pandemie insgesamt 137‘851 Kredite über eine Gesamtsumme von rund CHF 17 Mrd. gewährt. Der durchschnittliche Betrag eines Kredits lag bei CHF 122‘907.–. Obwohl die Gastronomie wirtschaftlich am prominentesten von der Covid-19-Pandemie betroffen war, wurden insgesamt 20% des Volumens der Überbrückungskredite an das Ausbaugewerbe vergeben, gefolgt mit 9% vom Hochbaugewerbe. Die Gastronomie erhielt 8% und der Grosshandel 7% des gesamten Kreditvolumens.
Missbrauch
Ein Hilfsprogramm von dieser Grössenordnung zieht auch Missbrauchsfälle an. Nach den Angaben des eidgenössischen Finanzdepartements befanden sich per 27.10.2021 immer noch 3'667 Missbrauchsfälle in Abklärung, 840 Fälle wurden als nicht missbräuchlich qualifiziert und 3'047 Fälle wurden ohne Anzeige erledigt. Zur Anzeige gebracht wurden insgesamt 1'405, wovon sich 1'139 noch in Bearbeitung befinden und 266 bereits abgeschlossen wurden. Nebst direkt von Bürgschaftsorganisationen erstatteten Verdachtsmeldungen haben Banken insgesamt 1'602 Meldungen an die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) abgesetzt, woraus 1'286 Anzeigen resultierten. Die potenzielle Deliktssumme sämtlicher zur Anzeige gebrachten Fälle beträgt rund CHF 170 Mio. Aufgeschlüsselt nach der Kategorie der zur Anzeige gebrachten Missbrauchsarten hebt sich die missbräuchliche Kreditverwendung mit 78 Verurteilungen, 29 Freisprüchen und 34 Wiedergutmachungen deutlich von anderen Missbrauchsarten, wie Mehrfachanträgen oder falsche Umsatzangaben, ab.
In räumlicher Hinsicht wurden die meisten Strafanzeigen im Zusammenhang mit den Überbrückungskrediten im Kanton Zürich erstattet, namentlich 225 Strafanzeigen. Ebenfalls dreistellige Fallzahlen wurden in den Kantonen Wallis, Tessin und Aargau registriert. Rückblickend kann somit gesagt werden, dass im Verhältnis zum gesamten Kreditvolumen ein geringer Anteil strafrechtlich aufgearbeitet werden musste, namentlich lediglich 1%.
Ordnungsgemässe Verwendung
Angesichts der einfachen und unbürokratischen Kreditvergabe stellt sich aber die Frage, wie repräsentativ die bisherigen Zahlen des eidgenössischen Finanzdepartements sind. Die Zahlen des eidgenössischen Finanzdepartements werden laufend aktualisiert und dürften spätestens mit der Normalisierung der Firmensterblichkeit deutlich steigen. Dies insbesondere deshalb, weil es bei einem Konkurs in der Regel zur Inanspruchnahme der Bürgschaftsgarantie kommen wird und es im Interesse der Bürgschaftsorganisationen ist, im Einzelfall zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Kreditgewährung vorlagen und ob die Kreditverwendung ordnungsgemäss erfolgte. Wer beispielsweise einen Covid-19-Überbrückungskredit vorsorglich aufgenommen hat, könnte mit dem Vorwurf konfrontiert werden, dass im Zeitpunkt der Kreditbeantragung keine wirtschaftlich erheblich beeinträchtigt durch die Pandemie vorlag. In einem solchen Fall dürfte selbstredend auch die Verwendung hinterfragt werden.
Strafrechtliche Aufarbeitung
Der Zweck eines Covid-19-Überbrückungskredits war die Sicherstellung der laufenden Liquiditätsbedürfnissen. Besagter Kredit durften nicht dazu dienen, Dividenden und Tantiemen auszuschütten oder Kapitaleinlagen zurückzuerstatten, Aktivdarlehen zu gewähren oder als Aktivdarlehen ausgestaltete Privat- und Aktionärsdarlehen zu refinanzieren, Gruppendarlehen zurückzuführen und Kreditmittel an eine mit dem Kreditnehmer direkt oder indirekt verbundene Gruppengesellschaft, die ihren Sitz nicht in der Schweiz hat, zu übertragen.
Mit der Einführung des Covid-19-Solidarbürgschaftsgesetzes am 19. Dezember 2020 wurde das Verbot, neue Investitionen ins Anlagevermögen zu tätigen, die nicht Ersatzinvestitionen sind, aufgehoben. Sofern einem Kreditnehmer bei der Beantragung oder Verwendung eines Covid-19-Überbrückungskredits Fehler unterlaufen sind, bedeutet dies aber noch nicht, dass es tatsächlich zu einer strafrechtlichen Aufarbeitung kommt. Derartige Fehler sind erst dann strafrechtlich relevant, wenn vorsätzlich falsche Angaben gemacht bzw. der Kredit vorsätzlich zweckentfremdet wurde.
Selbst wenn es zu einer Verletzung von Bestimmungen des Covid-19-Gesetzes gekommen ist, kann mit einer Wiedergutmachung, d.h. mit einer Rückerstattung des Kredits ein Strafverfahren verhindert bzw. dieses zu einer Einstellung gebracht werden. Insofern eine Rückführung nicht möglich ist und eine strafrechtliche Aufarbeitung nicht ausgeschlossen werden kann, ist es ratsam, frühzeitig anwaltliche Unterstützung beizuziehen, den Sachverhalt im Detail zu analysieren und das weitere Vorgehen abzustimmen.