Ein Einblick in die Welt des Inhouse Counsel

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Ein Einblick in die Welt des Inhouse Counsel

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Zwei Seiten

Die beiden Welten – jene der Unternehmensjuristen und jene der Anwälte – sind durchlässig, und es ist ohne weiteres möglich, ein paar Jahre hier und ein paar Jahre dort tätig zu sein. Dies ist auch sinnvoll, denn erst dieser Wechsel erlaubt es, uns selber ein Bild von den unterschiedlichen Gegebenheiten und Anforderungen zu machen und zu entscheiden, welches Umfeld uns besser entspricht. Im Weiteren schärft es die Fähigkeit, Interessenlage und Bedürfnisse der jeweils anderen Seite besser zu verstehen und entsprechend zu agieren. Ein Anwalt kann die Tätigkeit innerhalb eines Unternehmens über ein sog. «Secondment» kennenlernen. Dabei wird der angestellte Anwalt einer Kanzlei für eine beschränkte Zeit an ein Unternehmen, welches selbst Klient der Kanzlei ist, ausgeliehen. Grund ist ein personeller Engpass beim Unternehmen oder die Erfüllung einer spezifischen Aufgabe vor Ort. Der Secondee ist während dieser Zeit in der Organisation des Unternehmens tätig. Der grosse Unterschied zwischen dem unabhängigen Anwalt und dem Unternehmensjuristen liegt in der Tatsache, dass letzterer nicht dem Anwaltsgeheimnis untersteht. Im Hinblick auf den Schutz heikler Dokumente vor dem Zugriff durch Straf- und Verwaltungsbehörden wird sich für den Unternehmensjuristen daher immer die Zusammenarbeit mit einem unabhängigen Anwalt anbieten, da sich dieser auf das Anwaltsgeheimnis berufen kann. Tätigkeit und Berufsbild des Unternehmensjuristen (auch Inhouse Counsel) und speziell des General Counsels (auch Leiter Rechtsabteilung oder Chief Legal Officer [CLO]) haben sich in den letzten 25 Jahren stark verändert. Dazu beigetragen hat u.a. die Zunahme der Regulierungsdichte in den Bereichen Korruption, Geldwäscherei, Wettbewerb und Steuertransparenz sowie die nicht endende Flut von Finanzmarktregulierungen und ganz allgemein die Globalisierung. Die damit verbundenen Aufgaben und Risiken müssen grösstenteils unternehmensintern angegangen und verantwortet werden. Wohl wird in einzelnen Bereichen die Expertise externer Berater in Anspruch genommen. Nur wer die unternehmensinternen Abläufe und die Eigenheiten des Tagesgeschäfts im Detail kennt, ist in der Lage, eine geeignete Organisationsstruktur als Basis einer wirksamen Compliance-Kultur aufzubauen und die hausinternen Regeln zu formulieren. Hierzu gehören auch das Training der Mitarbeitenden, die Kontrolle der Corporate Compliance und das vorausschauende Erkennen rechtlicher Risiken. Letztendlich verbleibt die Verantwortung für die Einhaltung der gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen beim Unternehmen und kann nicht delegiert werden. Dem Bereich Legal & Compliance kommt damit eine zentrale und strategische Bedeutung zu und erfordert eine Vertretung in der Geschäftsleitung.

Unternehmensjurist versus unabhängiger Anwalt

Was unterscheidet das Berufsbild des Unternehmensjuristen, der in den meisten Fällen ebenfalls über ein Anwaltspatent und mehrjährige Erfahrung in einer Anwaltskanzlei verfügt, von dem des unabhängigen Anwalts? Zunächst einmal ist der Unternehmensjurist immer Angestellter eines Unternehmens, das gleichzeitig sein einziger Mandant ist. Der externe Anwalt hat demgegenüber eine Vielzahl von Klienten und ist für diese auf der Basis eines Mandatsvertrages tätig. Während die Anwalt seiner Klientschaft die Vor- und Nachteile einer spezifischen Entscheidung aufzeigt, ohne für die Entscheidung selber verantwortlich zu sein, mithin also rein beratend tätig ist, gehört es zu den Kernaufgaben des Unternehmensjuristen, in Bezug auf sein Unternehmen rechtlich relevante Entscheidungen zu treffen und für diese einzustehen. Er muss stets lösungsorientiert agieren. Das Augenmerk des Unternehmensjuristen ist darauf gerichtet, die Verträge von Beginn an so zu gestalten, dass Streitigkeiten aufgrund ungenügender Vertragsgestaltung oder nicht vorausschauender Gestaltung der Rechtsgeschäfte gar nicht erst entstehen und mögliche Probleme oder Risiken proaktiv erkannt und aus dem Weg geräumt werden. Im Gegensatz dazu wird der Anwalt oft erst dann gerufen, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Akquisition und verrechenbare Stunden schliesslich sind Themen, mit denen sich der Unternehmensjurist nicht auseinanderzusetzen braucht.

Der Unternehmensjurist als Unternehmer

Vom Unternehmensjuristen wird erwartet, dass er sich ganz in die Branche und das von ihm vertretene Unternehmen einarbeitet und so das Geschäft insgesamt wie auch die spezifischen Aufgaben der einzelnen Abteilungen kennt. Diese intime Kenntnis des Unternehmens, seiner Strategie, seiner geschäftlichen Abläufe und seines kompetitiven Umfelds unterscheidet ihn vom externen Anwalt, auch wenn dieser in der Regel ebenfalls über Branchenkenntnisse verfügt und aktuelle Entwicklungen mitverfolgt. Der Inhouse Counsel ist nicht nur rechtlicher Berater, sondern muss unternehmerisch mitdenken. Als Teil des Unternehmens hat er ein Interesse daran, die Geschäfte voranzutreiben. Im Idealfall bereitet er die rechtliche Situation so auf, dass auf dieser Grundlage eine unternehmerische Entscheidung getroffen werden kann, auch wenn dabei der Verbleib eines Restrisikos in Kauf genommen werden muss. Als Angestellter partizipiert er einerseits am Erfolg des Unternehmens und muss es anderseits mitverantworten, wenn etwas schiefläuft. Er unterschreibt auch selber Verträge, die er ausgearbeitet oder bei denen er beratend mitgewirkt hat. Es ist diese Einbindung und das damit verbundene Zusammengehörigkeitsgefühl, welche mit zur Attraktivität der Funktion des Unternehmensjuristen beitragen.

Projektleiter und Moderator

Der Inhouse Counsel ist von Beginn an in die Projekte des Unternehmens eingebunden. Er muss dafür sorgen, dass er nicht als Hindernis, sondern als willkommene Unterstützung wahrgenommen wird. Dies wird ihm nur gelingen, wenn er eine entsprechende Servicequalität sicherstellt. Dazu gehören nebst der juristisch hochstehenden Qualität der Arbeit Aspekte wie kurze Antwortzeiten, Verfügbarkeit, Liefergeschwindigkeit, Businessorientierung bei der Beratung und nicht zuletzt die Fähigkeit, Arbeitsergebnisse – schriftlich oder mündlich – so zu vermitteln, dass auch der juristische Laie sie ohne weiteres versteht; alles Attribute, die auch einen guten Anwalt ausmachen. Als Teil des Projektteams entwirft der Inhouse Counsel in unternehmerischer Verantwortung eine Transaktionsstruktur, die den gewünschten Erfolg bestmöglich herbeiführt. Bei Bedarf zieht er externe Berater bei, die er instruiert, überwacht und führt. Die laufende Kostenkontrolle ist dabei ein wichtiger Faktor. Je grösser das Team, desto eher kommt dem Inhouse Counsel eine eigentliche Schlüsselrolle zu, die ihn zwangsläufig, zumindest de facto, zum Projektleiter macht. Während die anderen Teammitglieder sich auf ihren Bereich konzentrieren können zwingt die Verantwortung für den gesamten Vertragstext den Inhouse Counsel, alle Einzelheiten der Transaktion zu verstehen und stets das Gesamtgefüge im Auge zu behalten. Er moderiert die Abläufe und grenzt die nicht selten gegenläufigen Interessen gegeneinander ab. Er stellt sicher, dass alle Belange entsprechend ihrer Bedeutung gebührend berücksichtigt werden. Sozialkompetenz, diplomatisches Geschick und eine ausgleichende Persönlichkeit sind notwendige Eigenschaften, damit der In-house Counsel diese Aufgaben erfolgreich erfüllen kann. Aufgrund seines umfassenden Überblicks ist er Ansprechpartner für die verschiedenen Stakeholder innerhalb des Unternehmens sowie des weiteren Verbunds auf Konzernebene, was zu einer ausgezeichneten persönlichen Vernetzung und den damit verbundenen Vorteilen beiträgt.

Die Mandatierung externer Anwälte

Generell gilt, dass der Unternehmensjurist sich immer wieder mit anderen Rechtsordnungen auseinandersetzen und sich in rechtliche Probleme ausserhalb seiner Kernkompetenzen einarbeiten muss. Dies gilt namentlich auch dann, wenn es darum geht, einen ausländischen Anwalt korrekt zu instruieren und seine Arbeit zu beurteilen. Nicht selten beurteilt der lokale ausländische Anwalt nur genau die Frage, die ihm gestellt wurde, ohne darüber hinaus mitzudenken und von sich aus auf weitere allenfalls bedeutsame Punkte aufmerksam zu machen. Oder er beantwortet die Frage, ob ein bestimmtes Ergebnis basierend auf einer vorgeschlagenen Vorgehensweise erreicht werden kann, mit einem «Nein», ohne darauf hinzuweisen, dass das Ergebnis aber auf anderem Weg durchaus erreicht werden könnte. Dies im Auge zu behalten und mit geeigneter Instruktion zu vermeiden, ist ein wichtiger Aspekt bei der Mandatierung externer Anwälte. Angesichts des stetig steigenden Kostendrucks geht es schliesslich darum, die Kosten insgesamt möglichst gering zu halten. Mit einer optimalen Triage der Arbeiten in solche, die inhouse erledigt werden können und solche, die extern vergeben werden, kann viel Geld gespart werden. Es gibt immer wieder hochqualifizierte Associates aus Grosskanzleien, die in ein Unternehmen wechseln, mit dem Resultat, dass diesem eine vergleichbare Expertise zu günstigeren Kosten zur Verfügung steht. Grundsätzlich mandatiert der Unternehmensjurist in drei Fällen externe Kanzleien. Erstens, wenn er in einem wichtigen Geschäft nicht über das nötige Spezialwissen verfügt. Zweitens, wenn er nicht genügend Ressourcen hat, um einen Fall selber zu bearbeiten, was etwa bei zeitaufwendigen Gerichtsverfahren der Fall sein kann. Und drittens dann, wenn es um viel Geld geht und er das Unternehmen und seine Organe absichern will.

Karrieremöglichkeiten

Was die Karrieremöglichkeiten eines Unternehmensjuristen in einem international tätigen Grossunternehmen angeht, so sind diese im Gegensatz zu einer Kanzleikarriere sehr vielschichtig. Die Ausgestaltung im Einzelnen hängt von der Grösse des Unternehmens und seiner Organisation ab. Es gibt die Karriere innerhalb der eigentlichen Rechtsabteilung, die lokal in einem Kompetenzbereich wie Wettbewerbsrecht, Umweltrecht, Handelsrecht, IP etc. beginnt. Dort steigt der Inhouse Counsel in der Hierarchie, indem ihm immer mehr Verantwortung übertragen wird. Schafft er es bis ganz hinauf, wird er als General Counsel Mitglied der Geschäftsleitung. Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Inhouse Counsel in ein rechtliches Kompetenzzentrum oder in eine Niederlassung oder Tochtergesellschaft im Ausland wechselt und sich dort beweisen und Erfahrungen sammeln kann. Er wird so mit den spezifischen Eigenheiten und Bedürfnissen des Unternehmens vertraut und hat durch die (Mit-)Betreuung grosser Projekte oder die Beratung in wichtigen Rechtsfragen die Möglichkeit, ein breites persönliches Netzwerk aufzubauen und sich dem Kader bis in die Geschäftsleitung zu präsentieren. Umgekehrt lernt man ihn dort auf diese Weise persönlich kennen und schätzen. Daraus kann sich der Wechsel in eine operative Managementfunktion ergeben. Selbst wenn der Jurist nach einigen Jahren wieder zu seiner Kernkompetenz zurückkehrt, hat er wertvolle Erfahrungen gesammelt, die ihn karrieremässig weiterbringen. Sprungbrett für Karriereschritte ist sodann die Tätigkeit als Assistent beispielsweise eines Länderverantwortlichen im Ausland oder in einer Stabsstelle wie Strategie oder M & A. Viele Unternehmen sind dafür offen, dass ein Jurist eine operative Funktion übernimmt und in die Linie wechselt. Begleitende Managementkurse sind meist Voraussetzung für die Übernahme solcher Funktionen. Der Generalsekretär eines Unternehmens hat eine wichtige Schnittstellenfunktion zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat inne und geniesst allein schon durch seine Nähe zu den obersten Entscheidungsträgern hohes Ansehen – auch das ist eine interessante Karrieremöglichkeit, die sich dem Unternehmensjuristen bietet. Sind Legal und Compliance getrennt, kann auch eine Karriere hin zum Compliance Officer in Betracht gezogen werden. Als Compliance Officer eröffnet sich dem Unternehmensjuristen damit ebenfalls der Zutritt in die Geschäftsleitung.

Arbeitszeiten, Lohn und Pensionierung

Selbst innerhalb eines Unternehmens kann die gelebte Realität differieren, je nachdem in welcher oder für welche Abteilung der einzelne Jurist arbeitet. Tatsache ist, dass die Servicequalität einer guten Rechtsabteilung in vielen Fällen einen 9-to-5-Job ausschliesst. Je höher die Anforderungen an Ausbildung, Erfahrung, Verfügbarkeit und Produktivität, desto höher ist der Lohn. Entsprechend ist das Lohnniveau des Inhouse Counsels und des unabhängigen Anwalts auf vergleichbaren Stufen durchaus vergleichbar. Dafür geniesst der Unternehmensjurist nicht die Selbständigkeit und Unabhängigkeit, die mit einer Partnerschaft einhergehen. Dazu kommt, dass Angestellte nie davor gefeit sind, im Rahmen einer Restrukturierung, einer Fusion oder des Verkaufs des Unternehmens ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Ein anderes Thema ist die Pensionierung. Ein Partner kann selbst bestimmen, ob und wie lange er nach dem Pensionsalter noch weiterarbeitet. Die meisten schätzen es, einerseits gegebenenfalls bereits vor dem Pensionsalter langsam herunterzufahren, anderseits dann aber über das Pensionsalter hinaus weiterhin tätig zu bleiben und irgendwann nur noch diejenigen Mandate zu bearbeiten, die Freude machen. Der Unternehmensjurist wird demgegenüber pensioniert und es bedarf einer zusätzlichen Vereinbarung, dass er in einem reduzierten Umfang dem Unternehmen weiterhin zur Verfügung stehen kann.

Der Unternehmensjurist in einem KMU

Die Tätigkeit als Unternehmensjurist in einem KMU sieht anders aus als in einem Grossunternehmen, aber auch hier ist sie anspruchsvoll und abwechslungsreich. Gesellschaftsrechtliche Fragestellungen, Umstrukturierungen, Unternehmenskäufe, Compliance-Fälle, Haftpflichtfälle, Verträge – in all diesen Fällen sitzt der oft einzige Unternehmensjurist mit am Tisch. Ähnlich wie in einer kleineren Kanzlei ist der Unternehmensjurist mit einer Vielzahl rechtlicher Fragestellungen konfrontiert und von daher entsprechend breiter aufgestellt, dafür aber weniger spezialisiert. Je kleiner das Unternehmen, desto kürzer ist der Weg in die Geschäftsleitung, wobei das Unternehmen immer über eine gewisse Grösse verfügen wird, um sich überhaupt einen Inhouse Counsel leisten zu können. Interessant ist es, wenn das KMU im Wachstum begriffen ist und der Jurist zusammen mit dem Unternehmen in Funktion und Aufgaben mitwachsen kann. So lässt sich gegebenenfalls eine Position aufbauen, die zu erreichen in einem Grossunternehmen wesentlich schwieriger gewesen wäre.