Was bedeutet agiles Arbeiten eigentlich?
Der Begriff und der damit gemeinte Arbeitsprozess wurde massgeblich im Bereich der Softwareentwicklung geprägt, hat aber auch in anderen Geschäftsfeldern in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Bisher wurden in Unternehmen neue Aufgaben hauptsachlich nach der sogenannten Wasserfall-Methode zur Bearbeitung verteilt. Diese kommen wie bei einem Wasserfall durch die Vorgesetzten von oben nach unten «ins Becken» (sprich sammeln sich als Aufgabenpool an) und werden von den Mitarbeitern nach und nach abgearbeitet. Der Nachteil ist, dass es dabei wenig bis keine Abstimmung im Team und keine konkrete Priorisierung gibt. Zudem werden oftmals Aufgaben erledigt, die sich im Nachhinein als redundant erweisen.
Agiles Arbeiten hingegen funktioniert deutlich anders. Als erstes trägt das Team die gesamten Aufgaben in einem Meeting zusammen und plant diese für die nächste Zeit. Solche Zeiträume nennt man Sprints, welche üblicherweise über eine oder zwei Wochen angelegt sind. Die Meetings dauern – nach einem etwas höheren zeitlichen Aufwand zu Beginn – nicht länger als eine Stunde. Auch wenn das abschreckend viel erscheint, der Vorteil ist enorm: Zum einen bekommt jeder einen guten Überblick, was die anderen im Team erledigen und wo es vielleicht Überschneidungen gibt, zum anderen sehen alle, was in dem besprochenen Sprint alles erledigt werden muss. Es gibt also klare und übersichtliche Ziele.
Jeder Sprint folgt einem gewissen Prozess, der vorher im Team definiert wurde. Diesen konkreten Ablauf muss jedes Team selbst finden, und er muss voraussichtlich (vor allem am Anfang) auch ein paar Mal anpasst werden. Wichtig ist dabei, dass der Status einer Aufgabe genauer verfolgt werden kann. Der einfachste Prozess sind 1) neue Aufgaben, 2) aktive Aufgaben (das heisst Tasks, an denen aktuell gearbeitet wird) und 3) erledigte Aufgaben. Meistens werden die Prozesse jedoch noch genauer definiert: Zum Beispiel kann eine in der Hierarchie übergeordnete Person, wie ein Partner in der Kanzlei, erledigte Aufgaben kontrollieren, bevor sie definitiv als erledigt markiert werden. Eine weitere Möglichkeit für einen Prozessschritt wäre, das Feedback des Mandanten zu berücksichtigen.
Stehen die Aufgaben und Prozessschritte fest, finden jeden Morgen kurze Stand-up Meetings statt. Diese sollen tatsächlich im Stehen passieren, da sie nicht länger als 10 bis 15 Minuten dauern sollen. Hier gibt jedes Teammitglied bekannt, wie der Status seiner Aufgaben ist, ob allenfalls Unterstützung notwendig ist, sich Fristen geändert haben, etc. Dadurch stellt man sicher, dass alle Aufgaben immer richtig priorisiert sind, sodass die Anzahl der Redundanzen enorm gesenkt wird.
Was ist der Mehrwehrt dieses Konzepts für Anwälte?
Eines ist klar, jede Prozessumstellung dieser Art ist am Anfang mit einem höheren Aufwand verbunden. Wer noch nie agil gearbeitet hat, sollte vielleicht einen Coach buchen, der die Kanzlei bei der Einführung unterstützt. Hat man sich einmal daran gewöhnt, sind die Ergebnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit spür- und messbar und die Anfangsinvestitionen in Zeit und Geld schnell wieder ausgeglichen. Studien belegen, dass agiles Management im Vergleich zu klassischem Projektmanagement um bis zu 100 % bessere Ergebnisse in punkto Effizienz, Geschwindigkeit und Ergebnisqualität erzielt.
Für Anwälte lohnt es sich, auf ein agiles Arbeiten umzustellen. Zum einen wird es durch «fixed fees» interessant, mehr Mandate in der gleichen Zeit zu bearbeiten, um seinen Umsatz zu steigern. Aber auch immer mehr Rechtsabteilungen in Unternehmen, also eine wichtige Kundengruppe der Anwälte, beginnt agil zu arbeiten und diese werden auch von ihren Dienstleistern verlangen, sich den neuen Methoden anzupassen.
Nachdem agieren oft besser ist, als zu reagieren, sollte man sich auch als Anwalt lieber früher als später mit dem Thema beschäftigen.