Vertrieb anwaltlicher Dienstleistungen

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Vertrieb anwaltlicher Dienstleistungen

Vertrieb anwaltlicher Dienstleistungen

Quelle: iStock/piranka

Vertrieb – das ungeliebte Wort

Vertrieb und Anwälte: Das scheint unvereinbar zu sein – zumindest sehen das sehr viele Anwälte so. Man verkauft nicht, man erteilt Rechtsrat, erarbeitet Verträge, ist forensisch tätig oder hilft bei der Durchsetzung von Ansprüchen. Aber Vertrieb? Nein! So die vielerorts herrschende Meinung.
Das Vertreiben haben die meisten Anwälte nicht gelernt. Sie lehnen es nicht selten ab, wollen sich nicht fühlen wie Versicherungsvertreter – irgendwie unangenehm und aufdringlich. Diese innere Haltung blockiert und ist zudem ein Irrtum. Der Vertrieb anwaltlicher Dienstleistung bedeutet in erster Linie, dass sich Kanzleien und Anwälte mit ihrer Zielgruppe und den Bedürfnissen dieser Zielgruppe auseinandersetzen. Die Kanzlei, der es gelingt, den Bedarf des Mandanten empathisch und informativ zu erkennen und zu bedienen, hat beste Voraussetzungen, um neue Mandate zu akquirieren. 


Der Mandant im Fokus

Wer im Vertrieb erfolgreich sein will, muss seine Zielgruppe genau kennen und ihr Vertrauen gewinnen. Also sollte sich jeder Anwalt die Frage stellen: Welches Beratungsprodukt möchte ich welcher Gruppe verkaufen? Verkaufe ich im b2b- oder im b2c-Bereich? Welche schmerzhaften Punkte muss ich näher anschauen? Welche Störfaktoren gibt es? Was treibt meinen Mandanten an? Und vor allen Dingen auch: Wie erreiche ich ihn? Welche Veranstaltungen besucht er? In welchen Vereinen ist er tätig und kann ich Multiplikatoren nutzen, die mich meinem Zielmandanten näherbringen?
Deutlich wird das am Beispiel «Erbrecht für Frauen». Das Erbrecht für Männer und Frauen ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz natürlich gleich, aber Frauen erben häufiger, möchten sensibler angesprochen werden; die Bildsprache ist vielleicht emotionaler und Checklisten werden gern angenommen. Die intensive Auseinandersetzung mit der Zielgruppe (übrigens auch mit der Sprachverwendung der Zielgruppe, denn auch Sprache sollte die Internetpräsentation, SEO und SEA-Kampagnen von Kanzleien prägen) macht den Unterschied.


Proaktiv präsentieren

Für die meisten Anwälte ist es leicht, das eigene Leistungsportfolio zu beschreiben. Tätigkeitsbereiche: Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht, Baurecht. Eine solch oberflächliche Präsentation macht nicht nur austauschbar, sondern klammert auch die Mandantenperspektive aus. Anders wäre eine Präsentation in der Form: «Besondere Expertise haben wir in der Vertretung von Unternehmen. Wir gestalten Arbeitsverträge, organisieren Kündigungsmanagement und stehen (im Hintergrund) beratend zur Seite, wenn es um Verhandlungen mit Betriebsräten geht.» Der Unterschied ist, dass der Rechtsanwalt/die Kanzlei Wissen nicht mehr als Holschuld des Mandanten betrachtet, sondern ein möglichst greifbares Angebot für eine definierte Zielgruppe formuliert.


Fazit und Empfehlung

Die Auseinandersetzung mit dem Mandanten und seinen Rechtsberatungsbedürfnissen wird noch nicht ausreichend praktiziert. Hier gibt es für Kanzleien viel Luft nach oben. Der Vertrieb anwaltlicher Dienstleistung kann professionalisiert werden – und zwar ohne an Seriosität zu verlieren. Eine exakte Definition der Zielgruppe, eine Analyse der «pain points» und eine möglichst genaue Benennung von Leistung und Zielgruppe machen den Unterschied und schaffen Vertrauen. Und genau darum geht es: Anwälte verkaufen eine vertrauensbasierte Dienstleistung und müssen deshalb besondere Achtsamkeit in die vertrauensbildende Mandantenkommunikation legen.