Begutachtung, Training, Therapie und Diagnose sind klassischerweise immer schon an andere Berufsgruppen wie Mediziner, Psychologen, Architekten, Unternehmensberater und Organisationsentwickler delegiert worden. Denn nicht erst seit dem Inkrafttreten der grossen BRAO Reform im August 2022 ist die Zusammenarbeit der Anwaltschaft mit anderen Berufen gefragt. Nach §59q II BRAO ist dies nun sogar als Sozietät also in Partnerschaft möglich.
Also immer dann, wenn der Anspruch einer ganzheitlichen Rechtsberatung verfolgt wird, zieht man Experten projektweise oder langfristig hinzu, sei es im Rahmen von Anstellung und Beauftragung oder durch Empfehlung und Bürogemeinschaft. Neu ist, dass diese Experten nun auch in Partnerschaft tätig werden dürfen, das heisst zukünftig nicht nur der Anwalt z.B. gleichzeitig Legal Coach sein kann, sondern ein (Legal) Coach auch Partner in einer Kanzlei werden kann.
Was ist Legal Coaching?
Legal Coaching ist eine spezielle Intervention im juristischen Beratungsmandat. Diese kommt insbesondere dann zum Einsatz, wenn der Mandant/Klient zwar mit dem Anspruch auf Rechtsberatung und Rechtbeistand einen Anwalt aufsucht, damit dieser seine Interessen wahrnimmt und vertritt, er jedoch noch unentschieden dazu ist, welches juristische Ziel und Ergebnis verfolgt werden soll. Mit Legal Coaching kann in dieser Situation entweder punktuell im Beratungsmandat oder aber in einem kompletten Coachingprozess das subjektiv beste Ziel erarbeitet werden und zwar – ähnlich wie bei einem juristischen Mediator – auf der Grundlage juristischen Sachverstandes. Dabei behält der Anwalt sein Mandat und verliert im Unterschied zur Mediation nicht seine Parteilichkeit. Legal Coaching kann jedoch ebenso in der Unternehmensrechtsabteilung, als Richter oder Staatsanwalt oder aber in Verwaltung und Politik angewendet werden.
Wie wird Legal Coaching vergütet?
Legal Coaching wird grundsätzlich durch privatrechtliche Vereinbarung über die Vergütung entlohnt unter Beachtung etwaiger besonderer gesetzlicher Regeln (wie z.B. zur Anwaltsvergütung nach RVG). Ein Legal Coach gilt ähnlich wie ein Fachanwalt als spezialisiert und kann in der Regel einen erhöhten Stundensatz von mindestens 250 € veranschlagen (Soldan Institut). Wird Legal Coaching im Rahmen der anwaltlichen Zulassung ausgeübt, ist es ebenso von der anwaltlichen Berufshaftpflichtversicherung umfasst.
Welche Ausbildung braucht ein Legal Coach?
Die Legal Coaching Ausbildung ist eine juristische Fortbildung, die sich wie jede andere Ausbildung im professionellen Coaching an den Qualitätsstandards für Coachingausbildungen orientiert. Zwar schreibt hier noch keine gesetzliche Regelung wie das Mediationsgesetz bei der Mediation die Ausbildungsstandards vor. Allerdings werden in der Praxis nur akkreditierte Ausbildungen anerkannt, die mindestens hundert Ausbildungsstunden vorschreiben, reinen Fernuntericht nach dem FernUSG verbieten und nicht nur der Vermittlung eines bestimmten Tools dienen sondern Coaching als Methode und Prozess vermitteln und dabei z.B. auf die Kernkompetenzen eines Coaches und die Ethik-Richtlinien Bezug nehmen.
Anerkannte Akkreditierungen erfolgen durch unabhängige Stellen der grossen Berufsverbände für Coaches wie z.B. die Internationale Coaching Federation (ICF). Legal Coaches haben neben den jeweiligen gesetzlichen Regelungen und Bestimmungen für Coaches, für Coachingausbildungen und die Ausübung von Coaching zusätzlich die be-rufsrechtlichen Regelungen für Juristen, wie z.B. die Rechtsanwaltsordnung in Österreich (RAO) oder die Bundesrechtsanwaltsordnung für Anwälte in Deutschland (BRAO) einzuhalten.
Legal Coaching Ausbildungen sind mit ihrer Kombination aus Theorie und Praxis in etwa mit der Ausbildung zum Fachanwalt (in Deutschland nach FAO) oder zum Mediator nach dem Mediationsgesetz (MedG) vergleichbar und kosten ähnlich wie diese mehrere tausend Euro (derzeit 8.000 €). Die Ausbildung wird mit einem Ausbildungs-Zertifikat abgeschlossen, welches einerseits befähigt, als Legal Coach tätig zu sein und andererseits für den Zertifizierungsprozess beim Berufsverband für Coaches (ICF) legitimiert bei zusätzlichem Nachweis praktischer Erfahrung (ähnlich wie beim Fachanwalt).
An den drei Zertifizierungslevel kann der Coachee/Kunde erkennen,
- dass der Coach den erfolgreichen Abschluss einer akkreditierten Ausbildung nachgewiesen hat
- dass der Coach Praxiserfahrung hat
- dass sich der Coach regelmäßig weiterbildet
- dass er mit Mentorcoaching und Supervision an sich arbeitet
- welchen Grad an Berufserfahrung der Coach hat (Beginner, Profi, Master).
Legal Coaching als besondere psychologische Intervention im juristischen Beratungsmandat sollte weder von juristischen Coaching-Laien noch von coachingfremden Professionen wie Mediatoren, Supervisoren, Therapeuten oder von Anwältinnen und Anwälten, die über keine akkreditierte Coachingausbildung verfügen, ausgeübt werden.