Das im Jahre 2002 in Kraft gesetzte Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz) vereinheitlichte das bisher kantonal geregelte Anwaltsrecht weitestgehend, indem es u.a. materiell die Kernbereiche Interessenkonflikt und Berufsgeheimnis regelte und formell die Voraussetzungen zur Eintragung in das Anwaltsregister definierte. In Fortsetzung seiner liberalen, auf die zunehmende Komplexität der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausgerichteten Praxis bestätigte das Bundesgericht im Jahr 2012 die Zulässigkeit der Anwaltskörperschaft als Rechtsform für Rechtsanwälte. Die Frage der Zulässigkeit gemischter, aus Anwälten und Nicht-Anwälten zusammengesetzten Sozietät liess es damals ausdrücklich offen, entschied jedoch mit Urteil vom 15. Dezember 2017, Anwältinnen und Anwälte einer Anwaltskörperschaft seien nur dann unabhängig, wenn das Aktionariat und der Verwaltungsrat ausschliesslich aus registrierten Berufsangehörigen beständen. Dessen ungeachtet bekräftigte die Zürcher Aufsichtskommission in Kenntnis dieses Bundesgerichtsentscheids seine im Jahre 2006 begründete Praxis, wonach die Beherrschung durch eine Mehrheit registrierter Anwältinnen und Anwälte auf allen Entscheidebenen genügen müsse. Einzelne Kantone folgten dem Entscheid des Bundesgerichts, andere offensichtlich nicht, sodass ein «Flickenteppich» mit unterschiedlichen kantonalen Regelungen entstanden ist. Das Harmonisierungsziel in Bezug auf gemischte Anwaltskanzleien wurde verfehlt.
Die Autoren stellen sich hinter die Zürcher Praxis, im Wesentlichen mit folgender Begründung:
- Der einschlägige Art. 8 Abs. 1 lit. d des Anwaltsgesetzes verlangt als Voraussetzung für den Eintrag in das Anwaltsregister, dass Anwältinnen und Anwälte "in der Lage sein [müssen], den Anwaltsberuf unabhängig auszuüben".
- Niemand ist vollständig unabhängig von allem und jedem. Der Anwalt übt seinen Beruf dann unabhängig aus, wenn er frei ist von allen Bindungen, die eine unbeeinflusste, einseitige Mandatsführung allein im Interesse des Klienten gefährden. Das ist identisch mit konfliktfreier Berufsausübung. Unabhängige Berufsausübung heisst konfliktfreie Berufsausübung.
- Wenn der Anwalt frei entscheiden kann, ob er Mandate annimmt oder niederlegt, ist er in der Lage, den Beruf unabhängig im Sinn des BGFA auszuüben.
- Das gilt auch in Anwaltsgesellschaften, sofern die Anwälte auf allen Entscheidebenen in der Mehrheit sind. Unter dieser Voraussetzung müssten Anwälte einer MDP eingetragen werden.
- Das Gesetz verlangt für den Registereintrag nicht, dass jedes Risiko künftiger Berufsregelverletzungen ausgeschlossen sein müsse. Insbesondere ist die künftige Einhaltung des Berufsgheimnissses keine Eintragungsvoraussetzung.
Freilich ist das Risiko einer Berufsregelverletzung in einer MDP nicht grösser als in traditionellen Anwaltsbüros. Nicht-Anwälte in Anwaltskanzleien waren von jeher selbstverständlich, namentlich Sekretatiratspersonal und Juristen in Ausbildung. Auch die Zusammenarbeit zwischen Anwälten und Nicht-Anwälten (z.B. Steuerrechtler, Patentanwälte, Psychologen usw.) hat eine lange Tradition. Da die beigezogenen Nicht-Anwälte dem Anwaltsgesetz nicht unterstehen, kann man von einer vom Gesetz vorgesehenen Lücke im Klientenschutz sprechen. Diese Lücke wird allerdings in verschiedenen Richtungen gemildert, u.a. durch die Unterstellung der Hilfspersonen unter das Berufsgeheimnis (Art. 321 StGB) und durch die Weisungsbefugnis der Anwälte. Sollte ein Nicht-Anwalt gegen eine Berufsregel verstossen, könnte dieser zwar nicht diszipliniert werden, sondern höchstens die Anwälte aufgrund einer Sorgfaltsverletzung. Dieses Risiko ist aber gemäss Gesetz kein Thema bei der Zulassung zur Berufsausübung bzw. für den Eintrag im Anwaltsregister.
Solange eine Anwaltsgesellschaft im Sinne der Zürcher Praxis auf allen Entscheidebenen von registrierten Anwälten beherrscht wird, ist der Schutz der Klienten in einer MDP nicht schwächer als in einer traditionellen Anwaltsgesellschaft.
Die Anwälte unterscheiden sich von anderen Dienstleistern namentlich dadurch, dass sie ihren Klienten den Zugang zum Recht ermöglichen und erleichtern, und zwar regelmässig gegen die Interessen anderer. Als Minimum ist daher zu regeln, was für den Zugang zum Recht erforderlich ist. Das ist einerseits die Konfliktfreiheit, und anderseits die Vertraulichkeit. Die Autoren sind der Auffassung, dass dies unter der bestehenden Gesetzgebung auch in MDPs gewährleistet ist, die Vertraulichkeit mit Art. 321 StGB und die Konfliktfreiheit mit Art. 8 Abs. 1 lit. d des Anwaltsgesetzes. Weitergehende Einschränkungen dürften dem Test der Verfassungsmässigkeit nicht ohne weiteres standhalten. Anwälte in MDPs sollten daher im Register eingetragen werden.
Zu dem Thema siehe auch www.sjz.ch