Ver-Rechtlichung von Sustainability
Waren diese Themen ursprünglich Gegenstand des freiwilligen, rechtlich nicht verbindlichen Handelns der Unternehmen, so hat sich dieser Ansatz im Laufe der vergangenen Monate gewandelt. Heute sehen wir eine unkoordinierte Menge von Regulierungsprojekten, meist mit Fokus auf Offenlegungen und Berichterstattung, bisweilen auf Sorgfaltspflichten hinsichtlich Lieferketten, und seltener mit dem Versuch, die Handlungen oder Unterlassungen von Unternehmen mit zivil- oder strafrechtlichen Haftungsbestimmungen zu sanktionieren. Parallel dazu entwickelt sich eine Vielfalt an Checklisten, Policy Papers und anderen Erwartungshaltungen seitens Proxy Advisers, institutioneller Investoren und weiterer Anspruchsgruppen.
Entwicklungen in der Schweiz
Die Schweiz hat mit der Ablehnung der Unternehmensverantwortungs-Initiative (UVI) im November 2020 dem Haftungsansatz eine Absage erteilt, gleichzeitig aber den Weg freigemacht für eine gesetzliche Lösung mit Berichterstattung und Sorgfaltspflichten hinsichtlich Kinderarbeit und Konfliktmineralien in der Lieferkette. Diese treten voraussichtlich mit Wirkung für das Geschäftsjahr 2023 und erstmaliger Berichterstattung Anfang 2024 in Kraft.
Die nicht-finanzielle Berichterstattungspflicht umfasst Umweltbelange wie CO2-Ziele, Sozial- und Arbeitnehmerthemen, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung der Korruption. Gefordert wird zudem die Beschreibung der Konzepte/Sorgfaltsprüfung hinsichtlich der erwähnten Themen, sowie ihrer Massnahmen und Wirksamkeit, der wesentlichen Risiken und ihrer Handhabung.
Die Berichterstattung bezieht sich auf Risiken aus eigener Geschäftstätigkeit und aus Geschäftsbeziehungen, soweit relevant und verhältnismässig. Die Berichterstattungspflichten betreffen Gesellschaften ab einer mittleren Grösse und erfordern eine Genehmigung durch den Verwaltungsrat und die Generalversammlung. Zu beachten ist, dass es sich beim Beschluss der Generalversammlung gemäss Art. 964quater Abs. 1 OR um eine Genehmigung handelt; das heisst, dass die Generalversammlung den nichtfinanziellen Bericht nur konsultativ annehmen oder ablehnen kann, aber nicht inhaltlich abändern.
Neben der Pflicht zur nichtfinanziellen Berichterstattung bestehen Pflichten zu Sorgfalt in der Lieferkette und Transparenz bezüglich Konfliktmineralien und Kinderarbeit. Der Bundesrat regelt die detaillierten Voraussetzungen in einer Verordnung, die gegenwärtig noch in Bearbeitung ist.
Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten bezüglich Konfliktmineralien ist durch eine unabhängige Fachperson zu prüfen. Der Verwaltungsrat erstattet jährlich Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten, wobei hier keine Genehmigung durch die Generalversammlung notwendig ist.
Für den Unternehmensjuristen zu beachten ist die Strafbestimmung im neuen Art. 325ter StGB, wonach mit Busse bestraft wird, wer vorsätzlich oder fahrlässig in der Berichterstattung falsche Angaben macht oder die Berichterstattung unterlässt, oder der Pflicht zur Aufbewahrung und Dokumentation nicht nachkommt. Die Unternehmen und ihre Juristen sind hier besonders gefordert.
Jetzt handeln!
Mit der aktuellen Legiferierungswelle sind die Unternehmensjuristen gefordert, das Thema der Nachhaltigkeit aktiv anzupacken. Es geht darum, die Balance zu finden zwischen dem Prinzip des freiwilligen Engagements der Unternehmen zum Wohle von Mitmenschen und Umwelt, und gleichzeitig dem Schutz des Unternehmens vor den rechtlichen Risiken der neuen Gesetzgebungen, ihrer Regeln und Sanktionen – eine spannende Aufgabe an der Schnittstelle zwischen Verantwortung und Verantwortlichkeit.