Ein Verantwortungsrat

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Allein schon das Wort Verwaltung muss einen Kreativen eigentlich abschrecken. Aber vielleicht will es auch gerade das, uns Kreative davon abhalten, Teil eines solchen Rates – ein Wort das nur marginal weniger schlimm daherkommt – zu werden. Die Kombination klingt erst mal – kommt deshalb auch noch das Wort alt darin vor? – nach antiquierten Männern, zu denen ich mich noch nicht zählen würde. Diese Leute haben möglicherweise etwas Angst vor Menschen, die nicht vordergründig rational denken und agieren, sondern intuitiv. Und damit erstaunlicherweise sehr oft richtig liegen. 

Diversität weiter gedacht

  • Erfolgreicher: Studien der «Big Five» internationalen Beratungsfirmen zeigen, dass Unternehmen mit grösserer personeller Bandbreite mit höherer Wahrscheinlichkeit produktiver, erfolgreicher, gewinnbringender sind. Vielfältig zusammengesetzte Teams bringen ein Mehr an Kompetenzen und profitieren von den unterschiedlichen Perspektiven. Darum sollte der Verwaltungsrat unbedingt auch kreative Köpfe umfassen.
  • CEO: Ich habe auf meinem Karriereweg gelernt, dass es zwei Sorten Geschäftsführer gibt: diejenigen, die verwalten und die Visionäre. Meistens löst in einer Firma der eine den anderen ab. Deswegen wäre ein Rat doch ideal, in dem sich unterschiedliche Fähigkeiten tummeln. Weil zu den sieben unbedingten Aufgaben eines Verwaltungsrats eben auch die Bestimmung des CEO gehört.
  • Strategie: Gerade bei der meiner Meinung nach Nummer-1-Aufgabe fällt das Manko an Kreativen besonders ins Gewicht. Wir wissen doch, dass alles, was entsteht, aus einer Idee geboren wird. Und die kann nur einem originellen Geist entsprungen sein. Denken wir an die vielen Schweizer Firmen, die bahnbrechende Produkte hervorgebracht haben, wird offensichtlich, da gab es mal solche Köpfe. In der Regel zu Zeiten, wo der Gründer gleich Produktentwickler gleich Chef gleich Verwaltungsrat in Personalunion war. Herr Richterich hat das Ricola-Bonbon erfunden. Herr Elsener das Taschenmesser. Herr Lindt die Conche. Klar, seither wurde die Welt eine spezifizierte. Wachstums- und Profitdruck haben die Erfindungsgabe in den Hintergrund rücken lassen. Bei dem herrschenden eingeschränkten Wachstumsoptimismus haben es die ganz grossen Ideen schwer, die Moonshots, die oftmals wenig mit ihrem Kerngeschäft zu tun haben. Das Problem ist nur: Ohne nach den Sternen zu greifen, landet niemand mehr auf dem Mond.

Holistisch handeln

Eine Strategie bedeutet, vorausschauende Massnahmen zu etablieren, die wie von einem Schachspieler vorausgedacht werden wollen. Unumgänglich ist es in dem Zusammenhang festzulegen, wie die Entwicklung einer starken Marke vor sich geht, wie sie am Markt auftritt, mit Konsumenten und Konsumentinnen kommuniziert etc. All das ist klassische Kreativarbeit und kein Fall allein für die Werbeabteilung. Jedes Unternehmen tut sich einen Gefallen, diese Leute viel früher in die strategischen Überlegungen einzubeziehen. Diese Arbeit einem einzelnen Ressort zu überlassen, ist reduktionistisch. Denn Ideen sollten sich im Geist des gesamten Unternehmens wiederfinden bzw. in dessen DNA verankert werden. 

Verantwortungsrat 

Wer nun für das Amt als Verwaltungsrats infrage kommt, bringt einiges an Know-how mit, an Berufserfahrung sowie ein untrügliches Gespür. Das sind in Summe die besten Voraussetzungen, um weitreichende Entscheidungen mit zu beeinflussen und mitzutragen. Verantwortung zu übernehmen. Höchstleistungen zu bringen. Man könnte sogar überlegen, den Verwaltungsrat in Verantwortungsrat umzubenennen. Es ist eine Grundsatzentscheidung, eine kreative Person, also jemanden, der Ideen von Berufs wegen macht, in dieses Gremium zu holen. Ein Ja signalisiert klar, dass man für etwas stehen und etwas schaffen möchte, was noch keiner geschafft hat. Und genau darum geht es. Letztlich ist es eine Firmenphilosophie, was man sein möchte: Generikum oder genial. 

Diversität ultimativ gedacht

Ohne Kreative zu berücksichtigen, hat man Diversität im Verwaltungsrat zu kurz gedacht. Frauen (wegen Geschlechtergerechtigkeit), IT-Fachkräfte (für digitale Transformation), Lobbyisten (mit ihrem Netzwerk), CFO (bei Finanzproblemen) sind schön und gut. Doch am Ende geht es doch oft um die Mutter aller Fragen, um «ja oder nein», die man eigentlich gar nicht beantworten kann, wenn sie zum ersten Mal auftaucht, da sie noch nie zuvor jemand beantwortet hat. Solche Präzedenzfälle erfordern Mut – und eine Person, die sich von ihrer Intuition leiten lässt, sodass sie die Wahl ohne Zahlen/Daten treffen kann, weil es für den konkreten Fall schlichtweg keine Referenz gibt. Ich bin sicher, auch die heutigen gewaltigen Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, werden von Kreativen gelöst werden.