Künstliche und menschliche Intelligenz

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Künstliche und menschliche Intelligenz

Quelle: iStock

David A. Bloch ist einer der frühen Legal-AI-Pioniere, der bereits 2017 die Entwicklung Künstlicher Intelligenz für Rechtsthematiken vorantrieb. Der heutige CEO und Co-Founder von Legartis, der renommierten KI-Plattform für Vertragsprüfungen und Legal Analytics, verfügt als ehemaliger Anwalt über Erfahrung in verschiedenen Rechtsbereichen. Wir haben ihn zum Zusammenspiel von Mensch und Maschine befragt.

Was sind die grössten Herausforderungen, mit denen Kunden auf Sie zukommen?

  • Überlastung: Mehr leisten zu müssen bei weniger Ressourcen (do more with less), was zu Fehlern und Unzufriedenheit bei Mitarbeitenden führt
  • Nadelöhr sein: Business muss zu lange auf Verträge aus der Rechtsabteilung warten, was sich negativ auf Einkaufskonditionen und Umsätze auswirkt
  • Repetitive Arbeit bei der Vertragsprüfung: Immer dasselbe machen zu müssen, begünstigt Fehler und verunmöglicht den Fokus auf wertschöpfende Arbeit
  • Im Blindflug unterwegs: Unkenntnis über Risiken, die sich aus Verträgen für das Unternehmen ergeben können 

Im Bereich der Vertragsprüfung und -analyse eignet sich die Künstliche Intelligenz, da sie schnell und in gleich hoher Qualität repetitive Aufgaben übernimmt. Das reduziert Risiken, entlastet die Rechtsabteilung und befähigt andere Abteilungen wie den Einkauf und den Vertrieb. Zudem ist Künstliche Intelligenz in der Lage, tausende Verträge in kürzester Zeit zu analysieren, Daten zu extrahieren und dem Unternehmen unmittelbar Einblick in bestehende Risiken zu geben. Die Reaktionsfähigkeit eines Unternehmens vervielfacht sich und der Blindflug nimmt ein Ende. 

Wie sieht eine Zusammenarbeit mit einem Auftraggeber in der Regel aus? 

Legartis ist ein B2B Software-as-a-Service-Unternehmen. Die Zusammenarbeit mit einem Auftraggeber ist darauf ausgelegt, schnelle und effektive Ergebnisse zu liefern. Unsere trainierte und getestete KI steht im Vordergrund und ermöglicht eine Nutzung ab Tag 1, ohne dass umfangreiche Schulungen oder komplizierte Integrationen erforderlich sind. Der Prozess beginnt stets mit einem ausführlichen Briefing, bei dem wir die spezifischen Anforderungen des Kunden klären und ein Contract Playbook erstellen. Dieser Schritt dauert in der Regel nur wenige Tage, abhängig von der Komplexität der Unternehmensanforderungen.

Technologisch gesehen ist die Implementierung unserer Software sehr einfach: Die Installation eines Microsoft Word Add-in dauert nur etwa 10 Minuten pro Nutzendem. Das Onboarding und das Training der Nutzenden sind in einer Stunde abgeschlossen. Ein erfahrener Projektleiter begleitet die Implementierung sorgfältig, um einen reibungslosen Ablauf und schnelle Anpassungen der Prozesse sicherzustellen. Umfassende Schulungs- und Unterstützungsdienste gewährleisten, dass die Kunden den maximalen Nutzen aus unserer Plattform ziehen und die Leistungsfähigkeit der KI von Anfang an voll ausschöpfen können.

Wie gewährleisten Sie die hohen Datenschutzanforderungen?

Wir bieten höchste Sicherheitsstandards. Die IT-Infrastruktur ist nach ISO/IEC 27001 zertifiziert und die Vertragsdaten werden ausschliesslich auf GDPR-konformen Servern in der Schweiz verarbeitet. Die Large Language Models werden auf eigenen Servern gehostet. Das bedeutet, dass Daten nicht mit Dritten geteilt werden (kein Datenaustausch mit bspw. amerikanischen Unternehmen). 

Das Vorzeigeprojekt und warum?

Da gibt es mehrere. Eine tolle und erfolgreiche Implementierung und Nutzung von KI erfolgte bei der Zürcher Kantonalbank. Ebenfalls ein spannendes Projekt war und ist für uns die Zusammenarbeit mit Implenia. Hier kamen viele verschiedene Punkte zusammen, die es zu einem Vorzeigeprojekt machen. Im Spannungsfeld zwischen Effizienz, Effektivität und Kosten im Bereich des Vertragsmanagement-Prozesses suchte Implenia nach Lösungen. Es entstand eine Partnerschaft auf Augenhöhe, um ein Co-Development zur Entwicklung einer KI für die Baubranche einzugehen. Jeder Entwicklungsschritt wurde von beiden Seiten transparent offengelegt. Jetzt gibt es eine KI, die in einem hohen Grad automatisiert Werkverträge prüft. Implenia profitiert von einem erheblichen Effizienzgewinn, wenn erstens nicht mehr manuell dutzende Klauseln geprüft werden müssen und zweitens das Business-Team die Verträge überprüft und nicht mehr die Rechtsabteilung.

Inwiefern sind Sie für eine rechtliche Regelung für den Einsatz von KI? Die müsste ja – um wirksam zu sein – länderübergreifend passieren. Ist das überhaupt realistisch?

Genauso wie es sukzessive Regelungen zur Internetnutzung gab (Beispiele: Internetpiraterie und Urheberschutz; Cookie-Tracking: Datenschutz), wird es auch bei KI neue Regelungen brauchen. Wie bei allen neuen Technologien, die schnell einem grossen Nutzendenkreis zur Verfügung stehen, können effektive Rechtsgrundlagen erst geschaffen werden, wenn man Erkenntnisse darüber hat, welche Auswirkungen eine Technologie hat. 

Dem vorangestellt gibt es weitere wichtige Fragestellungen, die es zu beantworten gilt: Wie gewährleistet man, dass KI-Systeme sicher und kontrollierbar bleiben? Wie stellt man sicher, dass ethische Überlegungen von Anfang an in den Designprozess von KI-Systemen integriert sind, sodass sie dem Wohle der Menschheit dienen? Dasselbe gilt für die Qualität der Trainingsdaten und mögliche Vorurteile der KI in Bezug auf Diskriminierung. Inwiefern diese Punkte länderübergreifend oder global behandelt werden können, wird sich zeigen.

Wie setzen Sie Erkenntnisse aus umgesetzten Projekten so ein, dass sie weiteren Projekten nützen?

Wir pflegen einen Feedback-Loop. Das heisst, wir holen regelmässig Feedback von unseren Kunden ein. Sei es zum Produkt, zum Customer Support oder zum Projektablauf. Das Feedback fliesst direkt in die Weiterentwicklung der Legartis Suite und in unsere Services ein. So stellen wir sicher, dass wir die Bedürfnisse unserer Kunden so gut wie möglich kennen, diese im Produkt umsetzen und so Mehrwert generieren.

Was raten Sie Jus-Studierenden aus Ihrer eigenen Erfahrung für eine berufliche Karriere?

Heute sehen wir, dass mehr und mehr Technologie die Arbeit von Jurist:innen erleichtert. Deshalb sollten heutige Jus-Studierende ein gutes Tech-Verständnis mitbringen. Das Berufsfeld Legal Engineering oder Legal Prompt Engineering wächst schon jetzt rapide. Heutige General Counsels oder Head of Legal sollten sich tech- und KI-affine Jurist:innen wünschen, die Technologie als Wachstumschance begrüssen. Die Arbeit der Jurist:innen wird sich künftig weniger auf repetitive Tätigkeiten wie die Vertragsprüfung konzentrieren, sondern vielmehr auf die strategische Beratung des Unternehmens und die Lösung komplexer rechtlicher Fragestellungen. Das bedeutet, dass sie vermehrt ihre Expertise einsetzen werden, um proaktiv rechtliche Risiken zu identifizieren, innovative Lösungen zu entwickeln und das Unternehmen bei wichtigen Entscheidungen zu unterstützen.

Was ist Ihre Vision für Ihr Unternehmen und welche konkreten Ziele gehen Sie im Legal-Tech-Bereich noch bis Ende des Jahres an?

Wir werden in fünf Jahren der Goldstandard für KI im Bereich der Vertragsanalyse sein. Schon heute ist unsere KI-Qualität im direkten Vergleich zu den Mitbewerbern sehr hoch. Wir dehnen die KI-Kompetenzen sukzessive auf andere Sprachen (heute Deutsch, Englisch, demnächst Französisch) und weitere juristische Themengebiete aus. Bis Ende des Jahres steht unseren Kunden und Interessierten eine KI Suite zur Verfügung, die nicht nur automatisiert Verträge prüft, sondern auch automatisiert Verträge korrigiert, Vertragsinhalte zusammenfasst und Vertragsrisiken aus aktiven Verträgen in Dashboards ausweist. Wir gehen den Weg zu einer umfassenden, intelligenten Vertragsmanagement-Software. 

Sie agieren von der Schweiz aus: Welche Länder haben in Sachen Legal Tech und KI die Nase vorn?

Im Bereich KI steht die USA an der Spitze vor der EU, China und UK. Im Jahr 2023 kamen 61 herausragende KI-Modelle aus US-Institutionen, weit mehr als von der Europäischen Union (21) und China (15). Bei Legal AI und Legal Tech sehen wir eine ähnliche Entwicklung.  

In Legartis steckt «art»: Worin sehen Sie Ihre Kunst?

Wir sind ein interdisziplinäres Team, das sich jeden Tag kritischen Fragen stellt: Wo können wir besser werden, wohin geht die technologische Reise, welchen Mehrwert können wir unseren Kunden zusätzlich bieten? Wir arbeiten eng miteinander und ganz eng an unseren Kunden. Ich betrachte das wie ein Kunstwerk, das sich stetig weiterentwickelt.