Die Menge an Rechtsrat wird künftig zunehmen. Neue Themen im Umfeld von Cybersicherheit und Nachhaltigkeit bzw. ESG werden die schon bisher intensiv nachgefragten Bereiche Compliance und Datenschutz ergänzen. Die Frage wird lediglich sein, wer diese Leistungen künftig und in welcher Form erbringen will und wird. Dabei sind folgende Entwicklungen im Rechtsmarkt zu berücksichtigen.
- Insourcing stabilisiert sich auf hohem Niveau. Anwaltskanzleien haben aus verschiedenen Gründen über Jahrzehnte hinweg kontinuierlich Arbeit an ihre Kunden und Rechtsabteilungen verloren. Es scheint zurzeit, dass sich diese Entwicklung verlangsamen könnte, aber ohne deshalb wieder mehr Arbeit an externe Dienstleister auszulagern.
- Branding im Kanzleimarkt wird wichtiger. Gerade die Pandemie hat gezeigt, dass insbesondere in Zeiten von grosser Unsicherheit Hilfe bei «bewährten» Bera-tern gesucht wird. Im Rechtsmarkt be-deutet das, dass die grossen und etablierten Kanzleien mit Strahlkraft weiterwachsen konnten und damit zu den Krisen-Gewinnern gehörten.
- Alternative Rechtsdienstleister beginnen mit Konsolidierung. Dies betrifft all jene, die nicht zu den primären Anbietern wie Anwaltskanzleien oder Rechtsabteilungen gehören. Waren sie in den ersten Jahren in einer innovativen Phase eher isoliert und unstrukturiert unterwegs, in welcher sie regelmässig tolle (Legal Tech) Produkte präsentierten, werden in einer nächsten Phase die Kräfte gebündelt, allen voran mit den Big Four. Damit werden sie den primären Anbietern ernsthafter die Stirn bieten können.
- Menschliche vs. Technologie Ressourcen. Es geht nicht um die Verdrängung der Jurist*innen durch Roboter. Doch Teile der juristischen Wertschöpfungskette bzw. Tätigkeiten davon sind und werden betroffen. Menschliche Anwält*innen wird es also weiterhin geben und benötigen, weil Juristerei auch mit Empathie, Vertrauen und menschlicher Sensibilität verbunden ist. Dies wieder-um bedeutet aber auch, dass das Thema Leadership für Arbeitgeber weiterhin zentral bleiben, wenn nicht sogar wichtiger werden wird. Auf dem hart umkämpften Rekrutierungsmarkt muss mehr als nur spannende juristische Arbeit und ein Brand geboten werden. Vor allem junge Bewerber*innen und Mitarbeitende suchen heute nicht nur auch nach einer Purpose, sondern setzen Teilzeitarbeit- und Entwicklungsmöglichkeiten und natürlich Remote Working als selbstverständlich voraus.
- Rekrutierung von Talenten verschärft sich. Elite-Kanzleien in den USA bezahlten Berufseinsteiger*innen mittlerweile USD 215'000 (exklusive Boni), in Deutschland sind es Euro 160’000. Das kann man besser verstehen, wenn man einen grossen Teil dieser Ausgaben als versteckte Marketingkosten liest. Für Kunden ist das jedoch irrelevant, bleiben es weiterhin Kosten, die ihnen über die Honorare weitergereicht werden. Einen schweren Stand mit solchen Salären werden grosse Kanzleien haben, weil sie entsprechend die ganze Lohnskala an-passen müssen und so der Hebel über die zahlreichen Associates einen viel grösseren Kostendruck erzeugt, und natürlich die kleinen Kanzleien, die solche Saläre ohnehin nicht bezahlen können.
Erlauben Sie mir zum Schluss einen letzten Gedanken, mit welchem ich einen wohl grossen Sprung in die Zukunft machen will: Ich freue mich auf den Moment, wenn die erste Anwaltskanzlei ihre neue Bürofiliale im Metaversum eröffnet und ihre Anwalts-Avatare ins Rennen schickt. Vielleicht wird diese Beratung im digitalen Raum erfolgreicher sein als die Rechtsauskunfts-Bots in Einkaufszentren. Dieser virtuelle Rechtsmarkt könnte jedoch wertvolle Impulse für den uns bekannten «analogen» Rechtsmarkt liefern. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt!